Mit womöglich keiner anderen Komponente habe ich in meinem Hifi-Leben länger und zufriedener Musik gehört als mit meiner GamuT D100. Und ich habe sie nicht ein einziges Mal zur Disposition gestellt!
Es wird also allerhöchste Zeit, dieser Endstufenfamilie aus Holbaek in Dänemark einen eigenen Beitrag zu widmen. GamuT-Endstufen haben viele überzeugte Fans weltweit und sind trotzdem weitgehend unbekannt. Mitunter haben ihre Besitzer Endstufen-Boliden von Pass, Krell und anderen ersetzt. Ihre Konstruktion ist besonders und die klanglichen Meriten lohnen einer eingehenden Beschäftigung.
GamuT hat seine Anfänge in den frühen 1980er Jahren. Der Däne Ole Lund Kristensen entwickelte zunächst Endstufen für den professionellen Studiobedarf in Dänemark. In den frühen 1990er Jahren wurden die Verstärker dann vermehrt unter dem Markennamen Sirius für Heim-Enthusiasten verkauft. Im Jahr 2000 wurde der Name Sirius veräußert und das Unternehmen nannte sich fortan GamuT International A/S oder kurz: GamuT. Die Produktpalette wuchs um die Endstufen herum: ein CD-Player, ein Vorverstärker und mehrere Lautsprecherlinien kamen hinzu. Gamut Audio hat leider die Produktion aller Elektronikkomponenten eingestellt. Es werden nur noch Lautsprecher produziert.
Dabei handelt es sich bei den Endstufen um etwas ganz Besonderes mit einer völlig unüblichen Schaltung. Von der Endstufe D200 in all ihren Entwicklungsstufen wurden sicherlich am meisten verkauft und sie verkörpert den Konstruktionsansatz womöglich am besten. Die D200 wurde als Mark III (aka MkIII) und am Ende als D200i (bei den Monos die M250) angeboten. Diese 200er Endstufen unterscheiden sich von ihren Mitbewerbern durch die Verwendung eines einzigen Hochleistungs-MOSFETs pro Halbwelle zur Erzeugung der Ausgangsleistung. In der als Doppelmono aufgebauten Endstufe werkeln also insgesamt vier Hochleistungs-MOSFETs und erzeugen nominell 200 Watt an 8Ω und 400 Watt an 4Ω.
In den meisten Hochleistungsverstärkern wird üblicherweise eine Vielzahl von Transistoren parallelgeschaltet, um die Ausgangsleistung zu erzeugen. Doch in der Praxis gleicht kein Transistor wie ein Ei dem anderen. Infolgedessen ist das erzeugte Signal eine Mischung aus den Signalen aller parallel geschalteten Transistoren. Laut GamuT gehen dadurch feine Details in der Musik verloren.
Die im D200 verwendeten MOSFETs (APT20M19) wurde ursprünglich für den Einsatz in Schaltnetzteilen entwickelt und können jeweils mehr als 500 Watt verarbeiten und einen Spitzenstrom von mehr als 300 A durchlassen. Als potente Stromquelle für den D200 dienen zwei 500VA-Ringkerntransformatoren mit 32.000 µF Kapazität. Aufgrund der hohen Strombelastbarkeit der MOSFETs hat GamuT eine elaborierte Schutzschaltung entwickelt. Dank dieser ist laut GamuT nur eine einzige Sicherung erforderlich, um „reinen, unverzerrten Klang zu erzielen, der der Musik ihren vollen, aufregenden Dynamikbereich verleiht“.
Dieses besondere Schaltungskonzept kommt nicht nur in der D200 zum Einsatz, sondern ebenfalls im Vollverstärker DI150, den Monoendstufen M200 sowie den Monoendstufen M250. Die Monoblöcke M200 sind eine halbierte D200 im eigenen Gehäuse. Die M250 Monoblöcke besitzen im Vergleich zu einem M200 Monoblock nochmals 50 Watt zusätzlich an Ausgangsleistung.
Deutlich seltener dürfte die GamuT D100 zu finden sein, da in geringeren Stückzahlen gefertigt. In deren Leistungselektronik wurden zwei normale Endtransistoren verbaut. Die letzte Serie der D100 (Mk III; erkennbar an den weißen Netzelkos von RIFA) kommt dem Klang des großen Bruders D200 schon sehr nah – bei halbierter Leistung. Meine Lautsprecher haben einen Wirkungsgrad von 89 dB und sind keine schwer zu treibende Last. Daher fiel meine Wahl damals auf den D100. Vielleicht würde ich heute aufgrund der anderen Transistorenbestückung doch eher zum D200 greifen.
Eine Beschäftigung mit langen Ausstattungs-Features erübrigt sich. Denn die Ausstattung ist äußerst überschaubar: Ein Ein-/Ausschalter auf der Front, Anschlüsse für Ein- und Ausgänge sowie der obligatorische Netzanschluss auf der Rückseite.
Ein besonderes Feature – zumal nicht offensichtlich – möchte ich nicht unerwähnt lassen. Per „Mäuseklavier“ im Gehäuseinneren lässt sich die Verstärkung je Kanal kleinschrittig einstellen und so an Vorstufe und Lautsprecherempfindlichkeit anpassen. Manche Vorverstärker benötigen die maximale Verstärkung, andere liefern einen eher hohen Ausgangspegel. Die werksseitig auf -6 dB oder 29 dB Gesamtspannungsverstärkung eingestellten Endstufen können alternativ auch auf -12 dB (23 dB), -14 dB (21 dB) oder -0 dB (35 dB) eingestellt werden. Die maximale Spannungsverstärkung bei allen GamuT-Endstufen beträgt 35 dB, so dass sie alle zusammen in einem Bi-Amping-System eingesetzt werden können. Mit dieser flexiblen Anpassbarkeit sollte sich für die allermeisten Kombinationen das beste Übersetzungsverhältnis zwischen Vor- und Endstufe finden lassen.
Eingangsseitig kann die Endstufe per RCA- (aka Cinch-) und XLR-Eingang versorgt werden. Nach Möglichkeit sollte den symmetrischen XLR-Eingängen der Vorzug gegeben werden. Hier läuft der Amp zur Hochform auf. Es lohnt sich also, bei der Wahl der Vorstufe oder der direkt verbundenen Quelle immer darauf zu achten, dass diese ein symmetrisches Ausgangssignal zur Verfügung stellen können. Sowohl meine Octave HP 500 SE, die den Vorverstärker C2 von GamuT seinerzeit ersetzt hat, als auch der EAR 868, mein aktueller Röhren-Pre, können Signale symmetrisch weiterreichen. Und die GamuT-Endstufe dankt es hörbar!
Ausgangsseitig können der D200 und seine Geschwister die verstärkten Signale über Direkt- und Normal-Anschlüsse von WBT an die Lautsprecher weiterreichen, wobei der Direkt-Ausgang eine Spule und einen Widerstand überbrückt, die dem Schutz gegenüber kapazitiven Lautsprecher- und Kabellasten dienen. GamuT gibt an, dass bei den Direkt-Ausgängen die Klangtreue im Hochtonbereich besser erhalten bleibt. Und das kann ich beim Zusammenspiel mit meinen dynamischen 3-Wege-Lautsprechern ohne jeden Zweifel bestätigen. Ich höre seit Beginn ausschließlich über die Direkt-Ausgänge.
Die GamuTs – allen voran die D200 oder die M200 Monos – sind fantastisch klingende Endstufen: Transparenz und Detailauflösung, eine flüssige Darbietung, reichlich Leistung, ein stabiles und weiträumiges Stereopanorama und die Fähigkeit zur Wiedergabe subtiler Dynamik zählen zu den klanglichen Meriten dieser Endstufen. Dabei sind diese in der Lage, einen tief hinab reichenden Bass zu erzeugen, der stets durchgezeichnet bleibt. Das hört sich fast so an wie das Beste aus beiden Welten, einem perfekten Blend von Transistor- und Röhrenverstärker. Mit dieser Quadratur des Kreises lässt sich die Qualität und Eigenständigkeit dieser Endstufen tatsächlich gut umschreiben.
Diese Hifi-Attribute beschreiben jedoch nicht annähernd, welche musikalischen Erlebnisse mit den GamuT-Endstufen möglich sind. Wenn Sie die Chance haben sollten: hören Sie sie selbst!