Auch High End ist trotz seiner vergleichsweisen langen Lebenszyklen und der kontinuierlichen Verfeinerung des Bestehenden nicht vor Moden und kurzlebigen Entwicklungen gefeit – bleibt es doch letztlich Bestandteil der allgemeinen Technikentwicklung. Wann werden Geräte funktional, „gefühlt“ oder durch das Ende ihrer Lebensdauer obsolet? Welche Gerätegattungen betrifft dies am stärksten und wie können wir uns dagegen wappnen?
Hersteller hochwertiger High-End-Komponenten nehmen gerne für sich in Anspruch, zeitlose Komponenten von hoher Wertbeständigkeit zu fertigen und das klangliche Resultat der Bemühungen stets in den Mittelpunkt zu stellen – ohne Kompromisse und Schnörkel und häufig ohne das Kostenkorsett der Massenware. Dass diese Haltung häufig mit entsprechenden Materialstärken, Gewichten und Abmessungen einhergeht – geschenkt. Wird der „High-Ender“ doch bei jedem Bewegen von Verstärkerelektronik oder Standlautsprechern gemahnt, auf seine Bandscheibe zu achten. Exemplarisch für diese Haltung möchte ich die Boliden der Hersteller Accuphase (Japan) oder Krell (USA) nennen. Nur der Kenner vermag exakt zu sagen, in welchem Jahrzehnt diese Gerätschaften das Licht der Welt erblickten.
Bei oberflächlicher Betrachtung kann wohl kein High-End-Hersteller mit funktionaler oder gar geplanter Obsoleszenz in Verbindung gebracht werden. Eingebaute Sollbruchstellen wie man sie Handy-Herstellern nachsagt oder – in Analogie – das Versagen eines Leuchtmittels nach einer von der Industrie festgelegten Dauer an Stunden ist dem High-End-Sektor fremd. Bei der funktionalen Obsoleszenz lohnt aber der genauere Blick auf die unterschiedlichen Gerätekategorien.
Die „High-Ender“ haben in der Vergangenheit wohl häufiger höchst selbst zum Austausch ihrer Gerätschaften beigetragen als dass eine normative Notwendigkeit hierzu bestanden hätte. Die Kategorie der psychischen Obsoleszenz trifft hier wohl am ehesten zu.
Nicht mehr à la mode oder einfach „out“ gehörte der Vinyldreher in der Morgenröte des Digitalzeitalters vermeintlich zum alten Eisen – obschon voll funktionstüchtig. „Und wie sie funktionieren“, möchte man heute ergänzen. Davon, wie gut der Plattenspieler auch heute noch musiziert, kann sich jeder mit den eigenen Ohren überzeugen, der ein entsprechend zusammengestelltes System hören darf. Hier griff wohl das Mantra des High-Enders „das Bessere ist des Guten Feind“ nicht wirklich oder zumindest nicht als zentraler Erklärungsansatz.
Die CD wurde geschaffen, um die Schallplatte abzulösen. Garniert wurde es mit nie da gewesenem Bedienkomfort („Convenience“ in Form von Schublade, Fernbedienung und Programmfunktionen), weitgehender Störunanfälligkeit auch bei mechanischer Beschädigung der CD und natürlich ihr glasklarer (anfangs wohl eher „glasharter“) Klang. Der Dirigent und Klangfanatiker Herbert von Karajan jedenfalls befand: „Im Vergleich zur CD ist alles andere wie Gaslicht.“ Zu Beginn der Neunziger hatte sich die CD dann endgültig durchgesetzt.
Heute sieht es so aus als würde das totgesagte Vinyl der Scheibe aus Polycarbonat den Rang ablaufen. Oder anders ausgedrückt: Wenn überhaupt noch Tonträger, dann bitte schwarz und analog. Die digitale Revolution frisst ihre Kinder alias digitale Tonträger. Digital-Audio-Tapes (DAT), Super Audio Compact Disc (SACD) und auch die Compact Discs (CD) werden wohl denselben Weg gehen wie einst das Spulentonband, die Compact Kassette, die MiniDisk und ihren weniger erfolgreichen Verwandten: nämlich in die Analen der Hifi-Geschichte.
Auch wenn uns der Datenträger zusehends abhanden kommt, bleiben uns die digitalen Datenformate und Aufzeichnungsverfahren absehbar erhalten. So z. B. die Puls-Code-Modulation (PCM) der CD mit 16 Bit Auflösung und einer Abtastrate von 44,1 kHz oder das Direct-Stream-Digital-Format (DSD) der SACD mit einem Bit und 2,822 MHz Abtastrate. Die Datenrate bei DSD ist vier Mal höher als bei der 16 Bit/44,1 kHz-Kodierung.
Otto Normalverbraucher sieht sich mit zahlreichen Beispielen konfrontiert, dass „neuer“ erschreckend oft nicht „besser“ ist: Kompression à la mp3, Flachbildfernseher mit extra-flachem Sound, Mono-Bluetooth-Brüllwürfel für die Schallwerdung der auf mobilen Gerätschaften umher vagabundierenden komprimierten Musikdateien.
„Wann ist endlich das Ende der Fahnenstange erreicht?“, möchte man fragen. Dem „Schlimmer-geht-immer“-Motto nie überdrüssige Industrie für Konsumelektronik wird dieser Abwärtsspirale sicher noch ein paar Umdrehungen hinzufügen können. Aber Stopp: Dafür muss es auch weiterhin Otto Normalverbraucher geben, die solche Obsoleszenz-Beschleuniger kaufen wollen. Der High-Ender möchte das in aller Regel nicht!
Im Zusammenhang mit der digitalen Domäne verblasst der Glanz der High-End-Boliden allerdings erheblich. Haben sich doch die Entwicklungszyklen der digitalen Gerätschaften wie CD-Player (wenn als Stand-Alone-Gerät überhaupt noch verkäuflich), aber vor allem der integrierten oder ausgelagerten Digital-Analog-Wandler (DAC), von Netzwerk-Streamern und dergleichen beträchtlich verkürzt und denen von Rechnern (PCs) erschreckend angenähert. Bei eingehenderer Betrachtung gehen die aufgezählten Komponenten wohl häufig auch eher als Rechner denn als konventionelle Hifi-Gerätschaften durch – auch wenn diese geschickt durch eine an die übrigen Komponenten angeglichene Umverpackung den „Wolf im Schaftspelz“ geschickt kaschieren.
Mit derart kurzen Produktlebenszyklen sind wir – Sie ahnen es – wieder bei der Obsoleszenz angelangt. Die Geräte funktionieren auch nach Jahren noch und das zumeist tadellos. Sie klingen dank des Einspielens („Break-in“) oft sogar etwas besser als zum Zeitpunkt des Erwerbs. Die Investitionen sind gerade eben verdaut, da rollt eine neue Innovationswelle auf uns zu… Und die anfängliche Freude über das kürzlich erworbene Produkt wird erheblich getrübt.
Die Digital-Analog-Wandler sind Grenzposten zwischen digitaler und analoger Welt und zugleich Nadelöhr für die gesamte Kette. Das, was hier verschenkt, verloren oder „verrechnet“ wird, ist unwiederbringlich verloren und kann durch keine Technik der Welt wieder zu Gehör gebracht werden (das galt übrigens auch schon für Plattenspieler und andere Quellen). Die Rückgewinnung des analogen Signals aus dem digitalen ist leider nur auf dem Papier bestechend einfach. Die Realität lässt sich selten in einfache Schemata pressen. Somit werden immer neue Ansätze verfolgt, diesen Wandlungsprozess weiter zu verbessern und das Ergebnis der Wandlung wirklichkeitsgetreuer klingen zu lassen.
Neue Standards (z. B. asynchrone USB-Eingänge für das Füttern per Rechner, immer höhere Abtastraten und Wortbreiten), neue Wandlerchips (z. B. ESS Sabre), neue Wandlertopologien (Ring-DAC) halten Einzug und nur wenigen Herstellern gelingt es, diesen Entwicklungspfad auch für ihre Kunden verträglich zu gestalten, in dem z. B. ein einzelnes Board ausgetauscht und alles Drumherum weiter genutzt werden kann. Ergo: in aller Regel wird das komplette Gerät inkl. Netzteil, Ausgangsstufe, Gehäuse etc. obsolet.
Das US-amerikanische Unternehmen PS Audio hat für die Entwicklung des jüngsten Wandler-Sprosses DirectStream DAC mit Ted Smith einen Software-Programmierer ins Boot geholt, der die Kodierung des Wandlers nicht in Hardware, sondern in Software gießt. Möglich macht dies ein Field-Programmable Gate Array (FPGA), der anders als die üblichen Wandlerchips, mit eigener Software versehen werden kann. Das Design verspricht eine radikale Vereinfachung des Gesamtdesigns und ein großes Plus an Flexibilität. Alle Eingangsformate werden ins DSD-Format mit zehnfacher Samplingrate hochgerechnet (28,224 MHz). Danach rechnet Wandler die Signale auf Double-DSD (DSD 128) herunter. Ob die potenziellen Käufer bei einem Preis von rd. 6.000,- EUR diesen Weg mitgehen, bleibt allerdings abzuwarten.
Vielleicht sehen wir hier aber einen Wegbereiter für einen Designansatz, der es endlich ermöglicht, bei der zu erwartenden Weiterentwicklung keinerlei Hardware auszutauschen zu müssen, sondern schlicht die Software zu aktualisieren, die für den Wandlungsprozess zuständig ist. Weiterentwicklungen können so aufwandsarm und über mehrere Update-Zyklen hinweg kostenlos an die Kunden weiter gegeben werden.
Der Obsoleszenz kann damit sicher nicht prinzipiell der Gar aus gemacht werden, aber womöglich lassen sich die Zyklen wieder auf eine für High-End sonst übliche Dauer ausweiten. Der aufgerufene Preis ist auf jeden Fall jetzt schon „high-endig“.