Angefangen hat es mit einem Touring International 103 von ITT Schaub-Lorenz meiner Großmutter. Ein Radio mit unglaublichen, aber liebenswerten zwei Mono-Watt aus zwei Lautsprechern. Ich bin aufgewachsen mit dem sonoren und warmen Klang des Tourings. Es war fester Bestandteil jeder Mahlzeit, die ich der großelterlichen Küche eingenommen habe. Oder kurz: Kein Frühstück ohne musikalische Untermalung durch das Touring. Die Schlager sind mir zum Glück nicht in Erinnerung geblieben, der Klang aber schon.
ITT Schaub-Lorenz ist ein Unternehmen mit einer sehr wechselvollen und interessanten Geschichte. Gegründet 1920 auf Puerto Rico als International Telephone and Telegraph Corporation. 1930 übernahm ITT in Deutschland die Funk- und Fernmeldetechnik-Unternehmen Mix & Genest und C. Lorenz AG. Mit der Übernahme der G. Schaub Apparatebau steigt die C. Lorenz AG im Jahr 1940 in die Herstellung von Rundfunkempfängern ein. Aber zurück zum Touring.
Als Reminiszenz an das 103er kam vor wenigen Jahren ein International 104, das zwischen 1973 und 1975 und als letzte Generation der Touring International gebaut wurde, als Trödelmarktfund an den heimischen Esstisch. Was aber tun, wenn das Radio heute vor allem eins tut: vor sich hin brummen? Auch ein Besuch eines dedizierten Reparaturfachbetriebes konnte dem Brummen leider nicht den gar aus machen. Sprachverständlichkeit und Hörvergnügen waren damit deutlich getrübt.
Die Suche nach einem Nachfolger und Pendant aus der Neuzeit gestaltete sich deutlich schwieriger. Klanglich mindestens ebenbürtig sollte es sein und optisch ebenfalls eine Zier. Nein, es sollte kein Tivoli Model One von Henry Kloss werden, das samt seiner Nachbauten in wirklich jeder Lifestyle-Boutique seit dem Jahr 2000 auf Käufer wartet. Ein Monoradio in Retro-Echtholzgewand nur mit UKW-Empfang? Und sollte die ultrakurze Welle nicht bereits 2010 in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet werden? Das wurde in Deutschland in das Jahr 2025 verschoben – bis auf weiteres. Also, kein Grund zur Hektik und erst recht nicht zur Panik. Aber trotzdem. Wenn neu, dann bitte auf der Höhe der Zeit und trotzdem nicht hässlich.
Zukunftssicherheit für den terrestrischen Radioempfang hat seit August 2011 einen neuen Namen: DAB+. Es ist die Weiterentwicklung von DAB mit einem verbesserten AAC-Codec an Bord (HE AAC+ V2), nachdem sich der ursprüngliche DAB-Standard mit seiner Festlegung auf den Audiocodec MPEG 1 Layer 2 mit seinen Begrenzungen als unterlegen erwiesen hat. Die Geschichte der technischen Weiterentwicklung bleibt für Konsumenten von reinen DAB-Empfängern eine schmerzhafte: Von wenigen Ausnahmen – wie z. B. Roberts aus UK – abgesehen herrscht mit den alten DAB-Empfängern in Bezug auf DAB+ Funkstille. Trotz dieses Lehrstückes funktioneller Obsoleszenz scheint gesichert, dass bereits 5 Mio. Digitalempfänger nach einer längeren Durststrecke in Deutschland abgesetzt werden konnten.
Die Nachbarn von der Insel (UK) haben bereits deutlich länger Erfahrung mit dem Digitalrundfunk (v.a. DAB) und die „Digitalos“ einen größeren Marktanteil. Ein entsprechend breites Angebot an Empfangsgerätschaften ist die Konsequenz. Viele Vertreter dieser Gattung erinnern allerdings an Radiowecker, die mit einem Spielzeugroboter gekreuzt wurden, um uns alle schmerzlich zu gemahnen, dass Gestaltung – wenn überhaupt – nur eine sehr untergeordnete Rolle bei der Genese dieser Geräte gespielt hat.
Ich blieb aber standhaft und suchte weiter. Ich möchte weder mit dem Fernseher Radio hören (DVB-T) noch mit dem Computer (Internet-Radio) oder ein neues Gerät erwerben, das bereits heute zum alten Eisen gehört.
Fündig wurde ich schließlich bei dem Unternehmen Revo – wenig überraschend ebenfalls von der Insel, genauer aus Schottland. Mit ihrem SuperConnect getauften Gerät hat Revo bereits die Herzen, Augen und Ohren vieler Tester erobert und wurde z. B. Gewinner des What-Hifi-Award 2014. Tatsächlich sieht dieses Radio (ist es wirklich eines?) in Anlehnung an klassisches Braun-Design nicht altbacken Retro aus. Zudem kommt es der viel zitierten eierlegenden Wollmilchsau sehr nahe. Doch Vorsicht: das Revo ist eine optische Täuschung! Viel größer könnte der Abstand zwischen optischer Anmutung und technischem Innenleben kaum sein. Ist es wohl eher ein hübsch verpackter Minicomputer in Walnuss-Schale mit allem an Bord, was heute als Standard gilt und noch einigem mehr: UKW, DAB+, Internet-Radio sowie Bluetooth-Anbindung mit AptX-Streaming. Zudem wandelt es Streams über WLAN und DLNA aus dem heimischen Netzwerk um und erlaubt für registrierte Nutzer den Zugriff auf das Spotify-Archiv mit Millionen von Titeln. Alle wesentlichen Informationen werden dargeboten auf einem OLED-Display. Bedient wird es über die Tasten inkl. eines kleinen Joysticks am Gerät oder über eine übersichtliche Fernbedienung.
Die Ausstattungsliste kann hier nur kurz gewürdigt werden, sprengt deren erschöpfende Behandlung den Rahmen deutlich. Auch dafür gibt es das Internet und ein umfassendes Handbuch. Letzteres liegt dem Gerät ebenso bei wie die kleine Fernbedienung.
Der Klang des Revo SuperConnect ist sonor und weiß mit seinem 15 Watt-Lautsprecher auch größere Räume angenehm zu beschallen. Die Sprachverständlichkeit ist sehr gut, die unterschiedlichen Qualitäten der Quellen werden schnell ohrenfällig. Am besten klingt es bei mir – auch nicht überraschend – mit geströmten Flac-Dateien von meinem heimischen NAS (via Minim-Server verabreicht). Allerdings bringt dies auch den Empfangspuffer des Evos bzw. meines WLAN an Kapazitätsgrenzen. Der einzige Schatten bei so viel Licht ist der etwas zu fette Bass und der Preis, der aus einem solch üppigen Paket wohl zwangsläufig resultiert. Der Bass lässt sich mit dem bordeigenen Equalizer verschlanken, der Preis leider nicht.
Ein Alleskönner? Vielleicht. Im Vergleich zur Konkurrenz überragend und zudem eine Investitionsentscheidung, die einem die Gewissheit gibt, für längere Zeit das meiste anzapfen zu können, was irgendwie mit Radio oder Streaming zu tun hat. Eine zeitgemäße Antwort und Neuinterpretation des in die Jahre gekommenen Rundfunkempfängers. Mein Dank geht wieder einmal nach Schottland! Ich habe mich übrigens für die Variante mit dunklem Aluminiumgitter entschieden. Diese Version gibt es derzeit bei Magazin aus Stuttgart.